Eine längere Zugfahrt in den Kanton Waadt steht bevor. Es regnet und ist kalt. Ich hoffe, dass es auf der Laufstrecke nicht zu matschig wird und zuoberst auf dem Gipfel keinen Schnee hat!
Heute mache ich einen Vertikal mit Start in Les Mélèzes. Das Ziel ist auf dem schönen Mont Suchet, den ich von früheren Wanderungen über die Juragebirgszüge schon kenne. Der Unterschied zu einem klassischen Berglauf ist, dass hier nicht die Kilometer zählen, sondern die Höhenmeter: Der Vertikal führt auf dem direktesten Weg vom Start zum Ziel, sprich: Die Strecke ist 4 Kilometer lang und man bewältigt 900 Meter Höhenunterschied! Und auf das freue ich mich riesig! 😊
Es sind fast 250 Teilnehmer angemeldet (mehr sind nicht erlaubt). Auf dem Startgelände hat es nicht viele Leute, denn es ist Einzelstart. Alle 30 Sekunden startet ein Läufer; jeder hat seine genaue Startzeit. Das ist einerseits praktisch, um Massenansammlungen zu vermeiden (Vermeidung von Corona-Ansteckungen), andererseits kommt es beim Lauf und vor allem am Anfang zu keinen Staus auf der Strecke. Schliesslich führt die Strecke zuerst über einen Waldweg über Stock und Stein bis zur Baumgrenze. Dann läuft man stotzägredi (um es berndeutsch auszudrücken – dieser Begriff bringt es auf den Punkt) über das Bord zum höchsten Punkt auf dem Mont Suchet.
Für mich ist es eine Premiere, denn ich hatte noch nie einen Einzelstart an einem Lauf. Beim Einzelstart hast du keine direkte Konkurrenz, kein Läuferfeld und niemanden vorne, der dich ‚zieht‘. Aber wie gesagt, das muss überhaupt kein Nachteil sein, für mich jedenfalls nicht: Ich komme in keinen Stau, Überholen ist kein Problem und ich habe praktisch immer freie Bahn! Und: ich kann von Anfang an meinen eigenen Rhythmus laufen, ohne zu schnell starten zu ‚müssen‘. Für mich hat diese Art Lauf nur Vorteile!
Zum Glück hat es aufgehört zu regnen! Als ich loslaufe, komme ich sofort in einen guten Laufrhythmus und der steile Pfad macht mir einfach Spass! Auf der ersten Hälfte der Strecke überhole ich immer wieder Läuferinnen und Läufer, welche vor mir gestartet sind. Ich merke gleich, dass mir der Vertikal sehr gut liegt und ich komme so richtig in Fahrt!
Meine Befürchtungen wegen Matsch haben sich zum Glück nicht bewahrheitet. Es hat nur ganz vereinzelt wirklich rutschige Stellen. Auch hat es keinen Schnee!
Das Lustige ist, dass auf der Strecke keine Kilometer angegeben werden. Es hat Tafeln mit der Angabe, wie viele Höhenmeter man schon hinter sich hat! Als ich bei der Tafel mit 700 Höhenmetern vorbeilaufe, weiss ich, dass ich noch 200 vor mir habe, und das geht noch soo laaange….
Der Berglauf ist von Anfang an technisch anspruchsvoll. Und je näher das Ziel rückt, umso steiler wird es! Man muss beim Laufen kraftvoll abstossen und mit den Armen den Schwung mitnehmen. Ich habe noch 100 Höhenmeter zu machen und bin völlig im Flow und im Nebel 😁 !
Etwas unterhalb des Ziels steht mein Trainer und feuert mich an. Ich bin immer noch im Überholmodus und habe einfach eine Riesenfreude, weil es mir so gut läuft und es ein echtes Erlebnis ist, auf so einer Rampe einfach ‚hochzufliegen‘! Ich bin so begeistert, dass ich schon vor dem Zieleinlauf juble und die Arme hochstrecke! Auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiss, wie ich rangiert bin, freue ich mich über den schönen Lauf und die tolle Leistung – wenn’s läuft, dann läuft’s 😉 !
Am Nachmittag ist die Rangliste im Internet verfügbar. Mein gutes Gefühl hat mich nicht getäuscht: Ich werde 2. hinter der Französin Christel Dewalle (Bronzemedaillengewinnerin an der Berglauf-Europameisterschaft 2019) und freue mich extrem darüber! 3. wird Mélanie Jeannerod. Sowohl bei den Damen wie auch bei den Herren wird der Streckenrekord gebrochen. Übrigens ist meine Laufzeit sehr schnell: Overall mit den Männern werde ich 16.!
Für die Overall-Rangliste der Damen scrolle bis S. 21 ‚Scratch femmes‘. Overall-Rangliste der Herren auf S. 9.